Rundfahrt Grenzenlos

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Radfahren
Beate Ziehres
05. Mai 2024

Mit dem Rad auf Zeitreise entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs

Wer weiß noch, dass bis zum 9. November 1989 am Ortsrand von Helmstedt die westliche Welt zu Ende war? Wer hat die Euphorie der Grenzöffnung live miterlebt? Dem Tag, der das Leben vieler Deutschen auf den Kopf stellte, ging eine friedliche Revolution voraus. Ob die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten ein würdiger Abschluss der weltbewegenden Veränderungen war – darüber streiten sich die Menschen noch heute.

In Helmstedt befasst sich der Verein Grenzenlos – Wege zum Nachbarn e.V. intensiv mit der Zeit der deutschen Teilung und Wiedervereinigung. „Wir wollen mit unseren Angeboten insbesondere die jüngeren Generationen, die diese Zeit nicht miterlebt haben, erreichen“, erklärt Vereinsvorsitzender Henning Konrad Otto.
 
Eines dieser Angebote ist die Rundfahrt Grenzenlos. Die Rundfahrt verbindet drei besondere Orte rund um Helmstedt, an denen Grenzgeschichte eindrucksvoll dargestellt und auch noch heute „hautnah“ erlebbar ist: das Zonengrenz-Museum Helmstedt sowie die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn mit dem Grenzdenkmal Hötensleben.

Radrundfahrt Grenzenlos startet in diesem Jahr am 31. August

Bei schönem Wetter bietet sich besonders das Fahrrad als Transportmittel für die Rundfahrt Grenzenlos an. Einmal im Jahr organisiert der Verein Grenzenlos – Wege zum Nachbarn e.V. eine geführte Rundfahrt mit dem Fahrrad. In diesem Jahr startet die außergewöhnliche Rundfahrt am 31. August um 10 Uhr auf dem Holzberg.
 
Gemeinsam mit Tourguide Michael Mechow aus Schöningen erarbeiten die Mitarbeiter:innen des Vereins eine jährlich wechselnde Route entlang des Grünen Bandes. „Wir legen Wert auf eine attraktive Streckenführung. Der Weg führt immer vorbei an den Seen des Helmstedter Reviers und durch den Lappwald. Hier warten so viele kulturhistorische Schätze, dass es jedes Jahr Neues zu entdecken gibt“, sagt Anja Nitschke.


Ich habe die Rundfahrt Grenzenlos mit dem Fahrrad, die alljährlich vom Regionalverband Großraum Braunschweig im Rahmen des Programms „Rauf aufs Rad“ gefördert wird, im vorigen Jahr mitgemacht. Und obwohl ich als Zeitorte-Bloggerin regelmäßig in der Region unterwegs bin, habe ich an diesem Tag viele spannende Orte entdeckt und viel Neues erfahren.
 
Die Rundfahrt Grenzenlos ist 50 Kilometer lang und es sind einige Höhenmeter zu überwinden. Deshalb empfiehlt Michael Mechow unbedingt die Nutzung eines Pedelecs. Interessenten, die nicht über ein eigenes Pedelec verfügen, kann Mechow zur Rundfahrt kostenlos ein solches Modell zur Verfügung stellen. Dies ist dank der Förderung des Regionalverband Großraum Braunschweig möglich.

1. Station: Zonengrenz-Museum Helmstedt

Zur Recherche bin ich diesmal jedoch mit dem Auto unterwegs. Es weht ein lausiger Wind und am Ende setzt sogar Regen ein. An der ersten Station der Rundfahrt, dem Zonengrenz-Museum Helmstedt, bin ich mit Gästeführer Harald Spitzer verabredet. Gemeinsam mit Gästeführerin Susanne Otto begleitet Harald Spitzer regelmäßig auch die Rundfahrt Grenzenlos mit dem Rad. Unter anderem weil er sich dabei ausschließlich auf seine Kondition und Muskelkraft verlässt, genießt der Mann meine Hochachtung!
 
Im Zonengrenz-Museum Helmstedt entführt mich der erfahrene Gästebegleiter zuerst einmal in eine Zeit, die ich ebenfalls nicht miterlebt habe: in die Nachkriegszeit. Er erklärt mir anschaulich und vor allem kurzweilig, wie es überhaupt zur deutschen Teilung, zu massenhaften Fluchten und zum Mauerbau im Jahr 1961 kam.


Neben im wahrsten Sinne des Wortes todernsten Exponaten wie einem Stück Grenzzaum mit Selbstschussanlage enthält die Dauerausstellung des Zonengrenz-Museums auch obskure Relikte aus der Zeit des kalten Kriegs. Über eine Raketenkonstruktion, mit der DDR-Propaganda-Material in den grenznahen Ortsteil Bad Helmstedt geschossen wurde, kann man heute schmunzeln.

Theoretisch unüberwindbar: Grenzdenkmal Hötensleben

Schließlich geht es weiter nach Hötensleben. Direkt hinter den Häusern und Gärten des Orts sind die Grenzsicherungsanlagen auf einer Länge von 350 Metern erhalten geblieben. Harald Spitzer erzählt, dass in Hötensleben kontroverse Diskussionen geführt wurden, als der damalige Bürgermeister vorgeschlagen hat, die verhassten Grenzanlagen zu erhalten anstatt abzureißen. Am Ende entschieden sich die Bürger dafür, das einzigartige Relikt für die Nachwelt zu bewahren.
 
Einzigartig auch deshalb, weil Hötensleben durch zwei Mauern angeblich vor dem kapitalistischen Klassenfeind geschützt wurde. Und so wandern wir an einem frisch geharkten Streifen und Fahrzeugsperren, auch spanische Reiter genannt, auf dem Kolonnenweg den Berg hinauf zum Kommandoturm. „Wenn man hier genau hinschaut, ist offensichtlich, gegen wen sich diese Anlagen richteten: nämlich gegen die Bürger der DDR“, sagt Harald Spitzer.

In Hötensleben lässt Harald Spitzer die perfiden Methoden der DDR-Grenzsicherung wieder lebendig werden. Das Gespräch dreht sich hier jedoch auch um das Leben im Sperrgebiet mit seinen Widrigkeiten und um gedankliche Unfreiheit.


Eine durchlässige Stelle im Zaun: Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn

Entlang der heutigen Landesgrenze zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt führt die Rundfahrt Grenzenlos nun zu einem Ort, an dem die Grenze auch während der Zeit der Teilung überquert werden konnte: zur ehemaligen Grenzübergangsstelle Marienborn, heute Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn.
 
Zwischen Passkontrolle, Zoll und unter riesigen Original-DDR-Lichtmasten kann ich die Schrecken dieser Zeit leicht nachvollziehen. Harald Spitzer berichtet von einer schikanösen Kontroll-Prozedur bei der Einreise in die DDR oder beim Transit nach Berlin.

Der ganze Ablauf war demnach darauf ausgerichtet, Angst und Panik unter den Reisenden zu verbreiten und sie nebenbei um Devisen zu erleichtern. Gleichzeitig wurden hier interessant erscheinende Westbürger wie Politiker oder Mitarbeiter der Rüstungsindustrie unter Zuhilfenahme von Druckmitteln als Spione rekrutiert.

Doch die Passkontrolle war nur eine Seite der Medaille. Mit menschenverachtenden Methoden überwachte das Ministerium für Staatssicherheit den Verkehr in Richtung Westen.

Welche Mittel zum Einsatz kamen, erklärt Harald Spitzer in der gefürchteten „Garage“ des Zolls. So wurden zeitweise alle Fahrzeuge schon weit vor dem Grenzübergang mit Gammastrahlen beschossen, um versteckte Menschen ausfindig zu machen. „Zu diesem Ort gibt es so viel zu erzählen, dass jede Führung anders ausfällt“, sagt Harald Spitzer. Denn die Zeit ist knapp bemessen. Nach 3,5 Stunden verabschiede ich mich von Harald Spitzer. Wieder einmal ist mein Kopf voll mit neuen Eindrücken, Gedanken und auch Fragen zu diesem komplexen Thema. Will heißen: Nächstes Mal bin ich auch dabei, wenn es mit dem Fahrrad zu den Grenzdenkmälern geht.

Organisiert oder auf eigene Faust: Rundfahrt Grenzenlos mit dem Fahrrad

Abweichend von der regulären Rundfahrt ist für die geführte Radrundfahrt Grenzenlos eine Dauer von 8 Stunden eingeplant. Mit etwas Vorbereitung kann die Tour auch auf eigene Faust unternommen werden. Die entsprechende Routenbeschreibung steht unter folgendem Link zum Download bereit.



Grenzlehrpfad Helmstedt-Beendorf

Mitten im Lappwald, genauer gesagt zwischen dem Helmstedter Ortsteil Bad Helmstedt und dem benachbarten Beendorf, sagen sich heute Frösche, Fuchs und Hase „Gute Nacht“. Das war nicht immer so. Bis 1989 verlief hier die innerdeutsche Grenze. Über Lautsprecher wurden Wanderer und Spaziergänger darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich der Grenze nähern.
 
Heute ist hier wieder Ruhe eingekehrt. Entlang der ehemaligen Grenze erinnern jedoch Stelen an die Zeit der deutschen Teilung. Sie erzählen spannende Geschichten, die sich hier während des sogenannten Kalten Krieges zugetragen haben. Auf der Webseite findet ihr Informationen über die Lage des Grenzlehrpfads Helmstedt-Beendorf, einen Flyer zum Download und einen Audiowalk, ebenfalls zum Download.
 

Grenzwanderung Offleben

In Offleben, einem weiteren Ortsteil von Helmstedt, schloss sich die innerdeutsche Grenze direkt an die Gärten der Menschen an. Hier laden Schautafeln und ein Audiowalk mit O-Tönen von Bürgern aus Offleben zu einer Wanderung entlang der Grenze ein. Weitere Informationen, einen Flyer zum Download und ein Link zum Audiowalk findet ihr auf der Webseite.

Kontakt

Grenzenlos – Wege zum Nachbarn e.V. Helmstedt

Telefon: 05351 17-7777
Mail: info@grenzdenkmaeler.de
www.grenzdenkmaeler.de
 

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